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IX. Weg von 1793 über Hambach zu 1848?

 

„1793 französelnde, linksrheinische Missgeburt“ (L. Bamberger, führender Revolutionär v. 1848)

„Unsere Losung heißt Vaterland, Volkshoheit, Völkerbund. Aber selbst die Freiheit darf auf Kosten der Integrität unseres Gebietes nicht erkauft werden (Wirth, Initiator des Hambacher Festes 1832)stes 1832)  

Die Gräuel der französischen Revolution, die Besetzung von 1792/93 und letztlich bis 1814 mit den Bedrückungen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Aushebungen hierzu waren beim Hambacher Fest 1832 und der bürgerlichen Revolution von 1848 noch gut in Erinnerung.

Gut in Erinnerung waren auch die Freiheitskriege, welche mit der Befreiung von Fremdherrschaft und zur Bildung eines einheitlichen Vaterlandes identitätsstiftend waren. So kann es nur als hohes Lob verstanden werden, wenn der bedeutendste frz. Historiker des 19. Jh., Sorel feststellt: „Der deutsche Patriotismus kommt von den Menschenrechten her“ ! (Sieburg „Französische Geschichte“ S. 129)

Einen Weg von 1793 nach Hambach zu 1848 gibt es nicht. Die Hambacher und Mainzer Demokraten hatten damit nichts im Sinn – ganz im Gegenteil (s. unten). 1793 war eine Sackgasse oder besser ein Irrweg, die Klubisten besorgten die Geschäfte der Franzosen. Volksbetrug, von demokratischen Inhalten keine Spur. Selbst DDR-Chefhistoriker Scheel negierte in seinem Werk einen Weg von 1792/93 zu 1848 (s. Scheel "Republik" S. 531)

Zitate:

Nach dem Erwerb der linksrheinischen Gebiete beabsichtigte der Präfekt des Departements Donnersberg, Jean Bon St. Andre, die „deutsche Natur der Jugend im Keim zu ersticken, französische Sprachen und Sitten an Stelle der vaterländischen zu pflanzen und durch Einführung soldatischer Zucht und Tracht blinde Anhänglichkeit an den Glanz Frankreichs, blinden Gehorsam zu seinem – ab 1804 - erobernden Kaiser zu gewinnen“. Korrespondierend mit dessen Plänen, den Mainzer Dom niederreißen zu lassen, haben diese Ziele sicher nicht zu einer positiven Erinnerung beigetragen.  67.)

Strengste Zensur - im Gegensatz zur freien Meinungsäußerung und breiten Toleranz im Kurstaat - war alltäglich, unterstützt vom Freund des Präfekten, dem berüchtigten Fouché mit seiner Geheimpolizei. „Erst nachdem die napoleonische Besatzung abgeschüttelt worden war kam es zu einer Blütezeit für die Publizistik“ (s. Wilke, Institut für Publizistik Uni Mainz in AZ v. 27. 9. 14)

Den Protagonisten der deutschen demokratischen Bewegung war deshalb an einer deutlichen Abgrenzung gelegen. Die am Volk vorbei inszenierte „Republik“ und deren Pressionen waren den Menschen geläufig. Deshalb begegneten den Begriffen „Republik“ und „Demokratie“ deutliche Vorbehalte. Insofern hat die Farce von 1793 insbesondere in den linksrheinischen Gebieten eine schwere Hypothek für die wirkliche demokratische Sache hinterlassen.

„Unsere Väter, die in der Jugend um den Freiheitsbaum zu tanzen gezwungen waren, schreckten bei dem Wort „Republik“ wie vor einer Schlange zurück. Ein halbes Jahrhundert hatte die grausenhafte Erinnerungen an die blutrauchenden Schlachtbänke, an die Mordbrennerei, Plünderung, Erpressung und Tyrannei nicht verwischt...“ (Zuccamaglio) 54.) / (Ruttmann: „Wunschbild, Schreckbild, Trugbild“ S. 202)

Die Meldung nach der Pariser Revolutionen von 1830 und der von 1848: „Frankreich ist eine Republik“ löste bei vielen Menschen in Deutschland unmittelbar Erinnerung an 1792/93 und deren kriegerischen Charakter aus. An den Grenzen kam es kurzzeitig zu Panik, weil aufgrund historischer Erfahrung eine französische Aggression befürchtet wurde. Franzosen wurden bei der hier florierenden demokratischen Bewegung im Vormärz und danach von niemanden als Vorbild oder gar in Kontinuität gesehen. Angestrebt wurde nicht das Muster des revolutionären Frankreichs, sondern eine Bundesverfassung wie in den nordamerikanischen Freistaaten.

Das Hambacher Fest hatte klare Ziele: ein einiges deutsches Vaterland - das Gegenteil zu 1793. Selbstverständlich waren auch die Ziele der französischen Revolution eingebunden, durch das Funktionieren insbesondere des amerikanischen Vorbildes fast schon Allgemeingut. Wirth warnte in Hambach die Franzosen vor einem erneuten Griff nach dem Rheinland. Demokratie und Freiheit sollten innerhalb eines künftigen, einigen deutschen Vaterlandes gelten. 

„Mainzer Republik“? Fehlanzeige. Nicht verwunderlich. Seinerzeit sollten die Rheinlande mit allen Mitteln gegen den Willen des Volkes zu Frankreich kommen. Jetzt wollte man die Kleinstaaterei beseitigen, Deutschland als Einheit formen – natürlich einschließlich der deutschen Rheinlande. Damals war Frankreich schon seit vielen Jahrhunderten ausgreifender, zentralistischer Nationalstaat. Die Deutschen sollten noch zusammenfinden. 

„Selbst die Freiheit darf auf Kosten der Integrität unseres Gebietes nicht verkauft werden“ (Wirth 1832 beim Hambacher Fest). 48.)

Schwarz-Rot-Gold als Ausdruck des einigen Vaterlandes ist genau das Gegenteil dessen, was mit dem „Freistaat“ ins Werk gesetzt werden sollte. Ein größerer Widerspruch zu diesen „Demokraten“ wäre kaum zu denken, wenn Gedankenspiele auf den Deutschhausplatz zielen:

Im Plenum das historische Symbol unseres Landes, von Hambach bis heute die schwarz-rot-goldene Fahne. Die Freischärler in den Befreiungskriegen, die Burschenschaftler 1817 auf der Wartburg, sie trugen die deutschen Farben: Das Wappen des alten Reichs hatte einen schwarzen Adler mit roten Klauen und ebensolchem Schnabel, gekrönt von der goldenen Kaiserkrone oder hinterlegt mit Goldgrund. Die Hambacher Fahne mit 3 Querbalken in den gleichen Farben und der mittigen Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“ - und vor der Tür dann ein „Platz der (Mainzer) Republik“, die mit demokratischen Strukturen und Selbstbestimmung nichts zu tun hatte, der französischen Machtpolitik in die Hände arbeitete?! Statt Selbstbestimmung Despotie!

Die auf Dauer angestrebte linksrheinische Trikolore hätte unser Gebiet in die blutigen Gräuel des in Frankreich wütenden Terreurs gestürzt. Schwarz-Rot-Gold und Landtag wäre damit zuverlässig verhindert gewesen. Bedauern über den selbständigen Weg zu Eigenstaatlichkeit und Demokratie in unserer heutigen Gesellschaft?

1848 waren die Demokraten ein Stück weiter. Primär ging es wieder um das Vaterland, gleichermaßen um Demokratie und Pressefreiheit. Von 1793, den Klubisten, war keine Rede. Der Mainzer Konvent, der Scheinstaat, allein zur Durchsetzung französischer Machtpolitik installiert, war vergessen und sollte es bleiben, hatte mit den jetzigen demokratischen Prozessen nichts zu tun.

Franz Zitz, Mainzer Revolutionsführer, in der Frankfurter Nationalversammlung: „Mainz ist durch und durch deutsch gesinnt. Sie werden niemanden finden, der die französische Herrschaft zurückwünscht...wir wollen zu Deutschland gehören...uns leuchtet in Deutschlands Einigkeit der Stern, unter dem wir frei und glücklich leben wollen“. 

(Ruttmann: „Wunschbild, Schreckbild, Trugbild“ S. 146, Steiner Verlag 2001 m. w. N.)

Die Demokraten waren bemüht, die unseligen Erinnerungen an 1792/93 auszublenden, sich davon zu distanzieren. Niemand, der sein Engagement aus dieser Zeit ableiten wollte.

Weshalb sollte nach derartigen Bedrückungen, den vieltausendfachen Enteignungen und Deportationen unter unwürdigsten Umstanden noch eine positive Erinnerung an das Regime bleiben? Die Menschen konnten damals Menschenrechte und Selbstbestimmung nur als Propaganda erleben, die von der verbrecherischen Wirklichkeit entlarvt wurde. Die Stadt war entvölkert, mit Einquartierungen äußerst belastet - mehr französische Soldaten als männliche Einwohner. Vor dem Bombardement zu dessen Abwehr geführte Verhandlungen scheiterten am Widerstand der frz. National-(Polit)-kommissare, nicht am Militär. Auch hier ein sich in den Diktaturen des 20. Jh. wiederholendes Bild der letztlich bestimmenden Politkader. So kam zum erfahrenen Leid noch Bombardement und Zerstörung der Stadt.

Es ist nur zu verständlich, dass die „Befreiung“ mit ihren Leiden den Bürgern in schlechtester Erinnerung geblieben ist. Etwaige vorhandene Sympathien mit den propagierten, aber keineswegs zur Umsetzung vorgesehenen Zielen waren gründlich abgetötet. Die negativen Erfahrungen aus der französischen Besatzungszeit, die Terrorexzesse in Frankreich blieben im Gedächtnis. Mit diesen gut nachvollziehbaren Vorbehalten war der Weg zur Weg zur Demokratie belastet. 48.)

Nun sollte den Freiheitsgedanken z. B. eines Schiller mit Schwarz-Rot-Gold auch politisch Ausdruck gegeben werden. Angesprochene französische Errungenschaften wie Code civil, Regelung der Gerichtsverfahren usw. sind erst unter Napoleon in das linksrheinische Gebiet eingedrungen, dort zum Teil auch nach 1815 beibehalten worden. Mit der „Republik“ hatte das nichts zu tun. Letztlich diente der „Code“ als in ganz Frankreich wirksames einheitliches Instrument der durchregierenden napoleonischen Macht. Wohltaten waren damit nicht beabsichtigt, aber eine straffe Rechts- und Verwaltungsordnung. Die Ordnung des Codes wurde oft genug durchbrochen, wenn es Napoleon opportun erschien bzw. er Günstlingen und Unterstützern Vorteile zukommen lassen wollte.

Bemerkenswert: 1844, mit Franz Zitz als Karnevalspräsident, wurde nach dem Montagszug auf dem Markt ein Narrenbaum aufgestellt, als Parodie auf den Freiheitsbaum, welcher im Januar 1793 an gleicher Stelle mit großem Aufwand, Gepränge und Kostümierungen errichtet, aber zur Vermeidung von „Schändungen“ Tag und Nacht von französischem Militär bewacht werden musste. 

Der gewiss ganz unverdächtige Ludwig Bamberger, Motor und intellektueller Gestalter der 48er Revolution, fällte in seinen „Studien…“ ein vernichtendes Urteil zu 1793: „Französelnde linksrheinische Missgeburt“. 8.)

Die Demokraten des 19. Jh. haben keine Verbindung mit einer irgendwie gearteten  "Republik“ gesehen, die war zu keiner Zeit angesprochen, hatte ja auch mit wirklichen demokratischen Abläufen nichts zu tun. Das war den Märzrevolutionären bekannt, denen waren die Geschehnisse von 1792/93 fremd, eigenen Zielen und Vorstellungen in allen Belangen widersprechend.

Wird der 1848er Johann Adam Itzstein aus dem Rheingau als Beweis angeblicher positiver Prägung seiner demokratischen Ideale durch die „Mainzer Republik“ angeführt, so hat das mit Vernachlässigung der Quellenlage zu tun. Vater Itzstein sollte zum Ende der Republik am 30. 3. 1793 mit anderen Mainzer Honoratioren als Geisel in das Innere Frankreichs gebracht werden. Sein Sohn ließ sich gegen ihn austauschen, opferte sich, musste anderthalb Jahre in Gefangenschaft bleiben. Insofern hat Itzstein die „Republik“ sicher nicht positiv erlebt. Sein demokratisch/patriotisches Engagement im Vormärz speiste sich aus anderen Quellen. Die im Übrigen behauptete Mitgliedschaft des Siebzehnjährigen im „Jakobinerklub“ ist durch das Mindestalter von 24 Jahren für eine Aufnahme fraglich. 

Ähnliches gilt auch für den gern genannten Publizisten Weitzel, der aus seiner Distanz zu 1793 keinen Hehl machte. Anfänglich revolutionsbegeistert widerte ihn das wüste Treiben der Klubisten bald an. (s. Weitzel „Das Merkwürdigste aus meinem Leben und meiner Zeit“, Brockhaus 1821“). Möglicherweise hat ein Ex-Klubist oder Sympathisant beim Hambacher Fest vergangener Zeiten gedacht. Eine Kontinuität zu 1793 lässt sich daraus nicht ableiten. Von diesen „Veteranen“ war nichts zu hören, die wollte man auch nicht hören, wären unbedeutende Facette gewesen. Die Richtung war jetzt eine andere. Erst recht zu 1848 hin.

Die „Heroen“ von 1792/93 blieben im Vormärz untergetaucht, die pflegten ihre eigene Karriere zunächst unter Alleinherrscher Napoleon - bis zu Verfehlungen wie bei Metternich - und danach in den „Fürstenknechtschaften“. Wedekind ließ sich gar adeln und pries die Vorzüge dieses Standes.  6.) 21.)

Umso bemerkenswerter, dass hier und heute abseits von Hambach und 1848 aus aktuellen weltanschaulichen Gründen ein Zusammenhang zwischen 1793 und heutiger Republiksucht geklittert werden soll. Fehlende Fakten hindern dabei nicht. Das ist exakt der Weg, den die DDR beschritt, um sich durch eine „Mainzer Republik“ geschichtliche Legitimität zu verschaffen - und dabei scheitern musste. Sind vielleicht noch Residuen der DDR-Bemühungen und deren Mägde im Schwang?  7.1).

Die Konstruktionen machten auch vor der organisierten Mainzer Fassenacht ab 1838 nicht halt. Ab 1980 haben beflissene Politiker ihrer Fantasie Zügel schießen lassen und die Narrenkappe als Evolution der Jakobinermütze umgedeutet. Dabei ist in den närrischen Publikationen klar ausgedrückt, dass diese „blutrote Mütze“ verworfen ist, auf dem Haupt eines Narren nichts zu suchen hat. Der dem Karnevalstreiben im 19. Jh. nicht nur in Mainz präsidierende „Hanswurst“ war Ikone mit der sich aus der alten Schellenkappe entwickelnden Narrenkappe. (s. „Was der Domsgickel so hört“ zu Mainzer Irrtümern usw., RDW-Verlag 2012.)

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Unsere Gesellschaft darf stolz darauf sein, trotz der nachhaltig wirkenden negativen Erfahrungen einschließlich Massenvertreibungen über 1832 und 1848 zu einer Demokratie gekommen zu sein, die nach widrigsten Erfahrungen fest in der Bevölkerung verankert ist. Und hieran kann mit Kabalen zu 1793 und Meinungsmache nicht gerüttelt werden.

Die unreflektierenden Revolutionsliebhaber müssen daran erinnert werden, dass in das revolutionäre Paris nur anfänglich Begeisterte aus dem Ausland pilgerten, die aber schnell ihren Irrtum erkannten und retirierten, insofern sich auch bei den „Geistesschaffenden“ anderer Länder Ernüchterung einstellte. Das hat auch vor Forster angesichts der Blutströme und Gewaltorgien nicht haltgemacht.

Bezeichnend auch die französische Reaktion nach Niederschlagung des 1848er Aufstandes in Deutschland. Den deutschen Flüchtlingen war die Grenze verschlossen, sie wurden abgewiesen. (s. Bamberger a. a. O. S. 527) Trotzdem wird gerne an den Fakten vorbei für Rheinhessen schrankenlose Frankophilie mit revolutionären Segnungen reklamiert, gar darauf beharrt, dass Bamberger nicht – wie geschehen - in der Schweiz, sondern in Frankreich Asyl fand.